Im August veröffentlichte das Präsidium der FDP einen verkehrspolitischen Beschluss mit dem Titel „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto„. Der Beschluss enthält einige Forderungen, die kommunale Verkehrspolitik betreffen. So soll die Einführung von Fahrradstraßen und Fußgängerzonen grundsätzlich hinterfragt werden und möglichst alle Straßen von Autos befahrbar sein, da Sperrungen für Autos nur zu Verkehrsverlagerung führe. In den Innenstädten soll kostenloses Parken oder alternativ eine Parkflatrate flächendeckend eingeführt werden. Außerdem fordert die FDP grüne (Ampel)Wellen für Autos.
Romeo Edel, Sprecher der Mobilitätswendeallianz Baden-Württemberg (MoWA) stellt klar: „Mit diesen Forderungen werden klassische Argumente autozentrierter Verkehrspolitik bedient, die wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen und dem Ziel lebenswerter Orte entgegenstehen. Eine gemeinwohlverträgliche Mobilitätswende für alle ist mit solchen Forderungen nicht umsetzbar.“
Die nachfolgenden Reaktionen in der Presse von anderen wichtigen gesellschaftlichen Akteuren unterstreichen diese Einschätzung.
Stellungnahmen kommunaler Verbände
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtete dazu unter dem Titel: „Innenstädte nicht zuerst Parkplätze“: Kommunen irritiert von FDP-Vorschlag für weniger Fußgängerzonen.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, kritisiert: „Wir wollen Städte für Menschen. Deshalb klingen Forderungen nach autogerechten Innenstädten wie von vorgestern. Innenstädte sind nicht zuerst Parkplätze“.
André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds kommentiert: „Notwendig ist ein ausgewogener Angebotsmix aus ÖPNV, Fahrradwegen, Fußgängerzonen und Angeboten für Autofahrer. Für diese komplexen Herausforderungen existieren selten einfache Lösungen.“ An den pauschalen Forderungen der FDP übt er folgende Kritik: „Klar ist, dass es keine Patentrezepte für die Innenstädte und Ortskerne gibt. Die notwendigen Entscheidungen müssen vor Ort von den Stadt- und Gemeinderäten nach dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung getroffen werden“.
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, betont: „Einzelhandel und Innenstadt sind auf eine gute Erreichbarkeit angewiesen.“ Dies gelte für alle Fortbewegungsarten – nicht nur das Auto.
Wissenschaftliche Kritik
Von wissenschaftlicher Seite äußerte sich Verkehrsforscher Prof. Stefan Gössling, der an der schwedischen Linnaeus-Universität die Zusammenhänge zwischen Tourismus, Verkehr und Nachhaltigkeit untersucht, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung zu den FDP-Positionen. Er betont: „Wer etwas für Autofahrer tun will, muss Radwege bauen“. Mehr Infrastruktur für das Auto zu bauen, führe nicht zu mehr Verkehrsfluss. Dies sei ein altbekannter Trugschluss. Als ein Beispiel führt er den Ausbau des Highway 405 in Los Angeles an, der letztlich zu mehr Stau geführt habe. Er stellt klar: „Eine Stadt, die freie Fahrt will, fördert die Fahrradfahrer und den ÖPNV“.
Proteste gegen Verkehrswendeprojekte kämen nach Prof. Gössling häufig von kleinen Gruppen, während die Mehrheit Verkehrswendeprojekte unterstützt. Hierzu hat die MoWA bereits einen Faktenbeitrag veröffentlicht. Eine Maßnahme, die auch Prof. Gössling anspricht, ist vor der Einführung jedoch mehrheitlich unbeliebt: eine Citymaut. Die Straßennutzungsgebühr kann effektiv Stau beseitigen und Warenanlieferung in den Innenstädten erleichtern und vergünstigen. Das Beispiel Stockholm zeige, dass die positiven Effekte einer Straßennutzungsgebühr, die öffentliche Meinung deutlich ändern können.
Städte, die dem Autoverkehr mehr Raum geben wollen, kennt Prof. Gössling nicht.