Unter dem Thema „Weichenstellungen für eine menschen- und klimagerechte Mobilitätswende“ fand eine digitale Podiumsdiskussion der Mobilitätswende Allianz und dem Klima- und Umweltbündnis Stuttgart mit den Bundestagskandidierenden des Wahlkreises Stuttgart I statt.
Ein breites Spektrum an Fragen der Mobilitätswende hatte das Stuttgarter Bündnis KUS aufgemacht, um die Positionen der Kandidaten des Wahlkreises Stuttgart I kennenzulernen:
MOBILITÄT NACH MENSCHLICHEM MASS
- Höchstgeschwindigkeiten inner- und außerorts absenken (30/80/120)
- Reform der StVO: Fußgänger- und Fahrradfahrerfreundlichkeit, Berücksichtigung der Mobilitätsbedürfnisse von Kindern, alten Menschen u.a.
- Ausbau Bahn/ÖPNV auf doppelte Transportleistung (m. Tarifbindung, Mitbestimmung) Kfz-Lärmemissionen senken (25%); Verbot von lärmverstärkendem Zubehör
KLIMAMOBILITÄTSPLÄNE
- Halbierung des motorisierten Individualverkehrs in den Kommunen bis 2035
- (Kfz mit klimaneutralem Antrieb, progressive Besteuerung nach Größe u. Schadstoffen) Verkehrsvermeidung bei der Ortsentwicklung / Flächenplanung
- CO2-Flottengrenzwerte (real, netto!) aller Kfz-Anbieter in Deutschland absenken Radverkehrsplanung und ÖPNV-Abstimmung mit Priorität
MORATORIUM STRASSENBAU, TRANSPORT
- Bundesverkehrswegeplan: Straßenausbaupläne für Stuttgart stoppen
- integrierte Bundesmobilitätsplanung (Flug, Bahn, Schiff, Straße)
- Umwidmung von Kfz-Spuren (ÖPNV und Radschnellwege)
- Waren und Güter umweltfreundlich und klimaneutral transportieren, lokale Hubs
Fünf Kandidaten waren erschienen: Dr. Stefan Kaufmann (CDU), Matthias Gastel (B90/Grüne), Jochen Haußmann, MdL (FDP), Dejan Perc (SPD) und Bernd Riexinger (Linke).
Einigkeit herrschte bei den Kandidaten über die Klimaziele der Bundesregierung und der Bedeutung des Verkehrssektors. Stuttgart 21 wollen alle Kandidaten weiterbauen, u.a. mit einem Ergänzungsstation, um den steigenden S-Bahnverkehr zu bewältigen. Ein generelles Tempo 30 im Stadtverkehr, schlossen auch der CDU-Kandidat nicht kategorisch aus. Auch innerhalb der FDP, so Jochen Haußmann, gebe es unterschiedliche Positionen dazu, aber im Wahlprogramm sei es nicht vorgesehen. Auch auf den Ausbau der Radinfrastruktur können sich die Kandidaten der verschiedenen Parteien einigen.
Die Zahl der Autos reduzieren wollen Grüne, SPD und Linke. Der öffentliche Raum sei mit Autos zugestellt, so Dejan Perc. Bernd Riexinger betont, dass sich folgerichtig die Stadtstruktur ändern muss: „Stuttgart ist für den Autoverkehr eine völlig ungeeignete Stadt“. Ein „gedeihliches Miteinander“ der Verkehrsträger, wie es CDU-Kandidat Kaufmann für 2025 anstrebt, könne es nicht geben.
CDU und FDP dagegen verteidigen die „Chancengleichheit der verschiedenen Verkehrsträger“. Für Stuttgart fordert Stefan Kaufmann zwei Bundesstraßen-Neubauprojekte, nämlich den Nordostring und die Filderauffahrt. Dafür erntete er von Matthias Gastel heftige Kritik. Die Filderauffahrt sei gar nicht in den Verkehrswegeplan aufgenommen worden, und der Nordostring nicht im vordringlichen Bedarf.
Stefan Kaufmann als Innovationsbeauftragter für Wasserstoff der Bundesregierung gab Einblicke in die sich entwickelnde Wasserstoffstrategie. In Deutschland, so die Berechnungen, können maximal 20 Prozent des Wasserstoffs hergestellt werden. Das Ziel für 2030 seien 5 Gigawatt Kapazität. Daher spreche er u.a. mit Partnern in Australien, Namibia, Polen, Spanien, Schottland und Irland, um die notwendigen Produktionskapazitäten im Auslauf aufzubauen. Wann der inländische Bedarf allein für industrielle Zwecke und den Gütertransport gedeckt werden kann, sei nicht absehbar. Allerdings ist er zuversichtlich, dass sich bis zur Jahrhundertmitte ein internationaler Markt für grünen (erneuerbar erzeugten) Wasserstoff entwickelt, der eine Dekarbonisierung der Zement- und Stahlindustrie erlaube. Ob und wann das Angebot an grünem Wasserstoff für den Antrieb von PKW ausreiche, müsse man sehen. Vor diesem Hintergrund schien die Position von Jochen Haußmann (FDP) gegen eine Abkehr vom Verbrennungsmotor nicht überzeugend. Er setzt stattdessen auf den Emissionshandel, um Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß weniger attraktiv zu machen. Die Gegenposition hierzu vertrat Bernd Riexinger, der bei der Verkehrspolitik keine Rolle für den Markt sieht.