Push und Pull – über wirksame Politiken zur Förderung klimafreundlichen Verkehrs diskutierten 14 Kandidierende, eingeladen von ADFC und Allianz Mobilitätswende in den Wahlkreisen Karlsruhe I und II.
Zum Einstieg konstatierte Martin Kagerbauer vom erst im letzten Jahr gegründeten Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) – Institut für Verkehrswesen (IfV), dass alle Versuche, Treibhausgasemissionen im Verkehr zu verringern, gescheitert sind, und dies trotz Effizienzsteigerungen in der Motorentechnik. Der PKW-Anteil nahm nur in Großstädten über 100.000 Einwohnern ab. Dort stieg die Nutzung des Fahrrads und des Öffentlichen Verkehrs. In Kleinstädten hingegen stieg die Zahl der PKW-Fahrten. Kagerbauer stellt fest, dass gerade jüngere Menschen „multimodal“ unterwegs sind, also häufig zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wechseln. Dies wird besonders durch die zunehmende Vernetzung der Angebote und deren gemeinsame Bepreisung gefördert, wie etwa im Regiomove der Region Mittlerer Oberrhein.
Push und pull – so umschreibt Kagerbauer Politikmaßnahmen, die eine Mobilitätswende erfolgreich machen können. Pull – das bedeutet eine höhere Attraktivität emissionsarmer Verkehrsmittel. Push dagegen sind Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, den motorisierten Individualverkehr zeit- und kostenaufwändig zu machen. Hierzu zählt Kagerbauer Einfahrverbote, Nahverkehrsabgaben oder hohe Parkgebühren. „Homöopathische Veränderungen“, fasst der Mobilitätsforscher zusammen, „führen nicht zu Verhaltensänderungen“. Die Politik brauche Mut zur Umsetzung auch unpopulärer Maßnahmen.
Karlsruhe – eine fahrradfreundliche Kommune? Erstmals erhielt die zweitgrößte Stadt des Landes die begehrte Landesauszeichnung 2011. Die nächste Re-Zertifizierung wird 2022 erwartet. Erheblichen Nachbesserungsbedarf sieht der Karlsruher ADFC, vertreten durch Moritz Dekorsy. Er kritisiert den schlechten Ausbauzustand vieler Radwege. Diese seien nicht durchgängig befahrbar und wiesen viel zu viele Kreuzungen auf. In seinem Vortrag zeigte er Fotos von neu angelegten Radwegen, die plötzlich verschwinden und anderen, die zwischen Parkstreifen und Verkehr verlaufen und Autofahrer geradezu zum Parken in zweiter Reihe verleiten.
Der ADFC fordert eine Entflechtung der Verkehrsarten sowie baulich getrennte und geschützte Fahrbahnen für Fahrräder. Bei den geplanten Radschnellwegen sei es wichtig, diese an ein separat geführtes innerstädtisches Fahrradnetz anzuschließen.
In der anschließende Debatte, moderiert von Karsten Reichenbacher von WerkStadtMobilität herrschte Einigkeit zwischen allen Kandidat:innen über das Pariser Klimaziel und die Notwendigkeit einer Mobilitätswende. Diskutiert wurden die verkehrspolitischen Erfolge der Landesregierung seit 2011, insbesondere in der Förderung des Bahnverkehrs und wie der lange Planungsvorlauf von Radschnellwegen verkürzt werden kann. Hier wurde quer durch die Parteien die realpolitische Orientierung der bereits im aktuellen Landtag Aktiven deutlich.
Während im „Pull“-Bereich der Politikumsetzung wenig Unterschiede zwischen den Parteien auffielen, gab es teilweise Kontroversen in Bezug auf den „Push“-Bereich. Joshua Stock (Die Partei) und Fabian Gaukel (VOLT) plädierten für unkonventionelle Maßnahmen gegen den Autoverkehr. Dagegen setzten Rahsan Dogan (CDU) und Nikolai Ditzenbach (FDP) auf die Entwicklung und Verbreitung synthetischer Kraftstoffe anstelle einer restriktiven Politik gegenüber dem PKW.
In ihrem Schlusswort sah Tanja Dopf vom ADFC Einigkeit darin, dass das Fahrrad Hauptverkehrsmittel sei und damit auch Zentrum der städtischen Mobilitätswende.
Dr. Martin Kagerbauer: Mobilitätsverhalten im Wandel? Ein Rück- und Ausblick
Teilnehmende Karlsruher Kandidat:innen
Vorname | Name | Wahlkreis | Partei | |
Frau Dr. | Ute | Leidig, MDL | 27 Karlsruhe I | Bündnis 90/Die Grünen |
Frau Dr. | Rahsan | Dogan | 27 Karlsruhe I | CDU |
Frau | Christina | Zacharias | 27 Karlsruhe I | Die Linke |
Herr | Nikolai | Ditzenbach | 27 Karlsruhe I | FDP |
Frau | Saskia | Knispel de Acosta | 27 Karlsruhe I | Klimaliste-BW |
Herr | Dirk | Uehlein | 27 Karlsruhe I | ÖDP |
Herr Dr. | Anton | Huber | 27 Karlsruhe I | SPD |
Herr | Fabian | Gaukel | 27 Karlsruhe I | VOLT |
Herr | Alexander | Salomon, MDL | 28 Karlsruhe II | Bündnis 90/Die Grünen |
Frau | Anna | Jahn | 28 Karlsruhe II | Die Linke |
Herr | Joshua | Stock | 28 Karlsruhe II | Die Partei |
Herr | Tobias | Karnbach | 28 Karlsruhe II | Klimaliste-BW |
Herr | Eike | Zimpelmann | 28 Karlsruhe II | ODP |
Frau | Meri | Uhlig | 28 Karlsruhe II | SPD |