Privatsache oder Daseinsfürsorge? Auf eine Lücke in der Radverkehrsförderung stießen Fahrradfreunde in Kehl. Die Kehler Landtagskandidaten von Grünen, FDP und Linken sprachen sich für eine Wiedereinführung der Stellplatzpflicht für Fahrräder in der Landesbauordnung aus.
Ein vom ADFC, der Kehler Bürgerinitiative Umweltschutz und dem Klimabündnis Ortenau mit Unterstützung der Allianz Mobilitätswende veranstalteten Werkstattgespräch wies auf die Notwendigkeit hin, Radfahrenden eine sichere und komfortable Unterbringung ihres Zweirads zuhause zu ermöglichen.
Anschaulich berichtete Annett Jehmlich davon, wie sie als Kehler Neubürgerin vor 18 Jahren mit ihrer Familie nach einer Wohnung suchen musste. „Mehr als 9 von 10 Wohnungen kamen für uns nicht in Frage, weil wir keinen Platz für den Fahrradanhänger fanden“, erinnert sie sich.
Martin Bowen, Vorsitzender der ADFC-Ortsgruppe Kehl in Gründung und Forschungs-Direktor an der CNRS der Uni Straßburg, führte in die naturwissenschaftlichen Hintergründe der Erderwärmung ein. Zudem präsentierte er ein aktuelles Bauprojekt, die Kehler Oase Zollburg, in der für 47 Wohnungen nur 60 Radabstellplätze im Keller geplant sind. Rampen und breite Durchfahrten für Fahrradanhänger oder Lastenräder seien überhaupt nicht vorgesehen.
Kehler Vorzeigeprojekt als Fehlplanung
Anwesend waren die Landtagskandidaten Bernd Mettenleiter (Bündnis90/Die Grünen), Yannick Kalupke (FDP) und Thomas Hanser (Die Linke), alle drei passionierte Radfahrer. Die Kandidaten von SPD und CDU hatten aus Termingründen abgesagt. Einstimmig kritisierten sie die Herausnahme der Stellplatzpflicht für Fahrräder aus der Landesbauordnung im Jahr 2019, damit Fehlplanungen wie in der Zollburg nicht mehr von den Kommunen durchgewunken werden könnten.
Aufgrund ihrer Grenzlage ist die badische Nachbarstadt von Straßburg besonders von Fahrraddiebstählen betroffen. „Sichere und regengeschützte Stellplätze in Wohngebieten gehören zur Daseinsvorsorge“, so Bowen. Doch dafür müsste öffentlicher Parkraum geopfert werden. Wie schwer dies in der kommunalen Politik durchzubringen ist, davon konnten die bereits als Gemeinderäte aktiven Landtagsbewerber berichten.
Anreiz für Fahrradnutzung
Ein alternatives Modell der privaten Stellplatzverwaltung stellte Matthias-Martin Lübke vor. Der Vorstandsvorsitzende von Stadtmobil Südbaden war 1994 Initiator des autofreien Stadtteils Vauban. Er erläuterte, wie im Vauban Kostenwahrheit für den Individualverkehr hergestellt wurde. Außerdem liegen die Autostellplätze einige Minuten Fußweg von der Siedlung entfernt, während Fahrradabstellanlagen direkt an den Häusern entstanden. So bleibt die Siedlung vom Straßenverkehr verschont und es werden Anreize für Fahrradnutzung geschaffen.
Nicht nur die Wallbox in der Garage sollte gefördert werden, so das gemeinsame Fazit des Gesprächs, sondern auch komfortabel und schnell zugängliche Abstellanlagen für Fahrräder in Wohnhäusern und Tiefgaragen.